Nun komm, der Heiden Heiland
Am zweiten Adventssonntag stehen die Bearbeitungen des alten Adventsliedes «Nun komm, der Heiden Heiland» von Johann Sebastian Bach auf dem Programm. Das Lied geht auf den Hymnus «Veni redemptor gentium» («Komm, Heiland der Völker») zurück, der bereits um das Jahr 900 entstanden ist. Martin Luther hat die erste deutsche Fassung veröffentlicht, heute singen wir in der Schweiz nach einer Textübertragung von Fritz Enderlin.
Von Johann Sebastian Bach sind zwei Kantaten und fünf Orgelwerke zur Melodie «Nun komm, der Heiden Heiland» überliefert. Drei dieser Orgelbearbeitungen stehen in den 18 Chorälen der Leipziger Handschrift, die vierte im «Orgelbüchlein», die fünfte in der sogenannten aus der «Kirnberger Sammlung».
- Eingang BWV 659: Der reich kolorierte Cantus firmus steht im im Diskant über einer dreistimmigen Begleitung – eine klassische Form des Choralvorspiels, wie wir sie schon bei Dieterich Buxtehude oft antreffen. Die Bassstimme wird fast durchgehend in schreitenden Achtelnoten geführt, die beiden Mittelstimmen verarbeiten motivisches Material aus den Choralzeilen (sog. Vorimitation der Choralzeilen). Das ruhige, meditative Stück wurde durch Busonis Klavierbearbeitung auch in den grossen Konzertsälen bekannt.«Es ist eine Musik, die den Hörer in das Dunkel des Advents führt und ihm die Sterne des Himmels verheissungsvoll erstrahlen lässt.» (Albert Schweitzer)
Klangbeispiel: Nun komm, der Heiden Heiland BWV 659 - Nach der Lesung BWV 699 und Choral aus BWV 62: Die dreistimige Fughetta stammt aus der Sammlung von 24 Orgelchorälen, die der Musikwissenschatler und Komponist Johann Philipp Kirnberger überliefert hat. Das thematische Material stammt hauptsächlich aus der ersten Choralzeile.
- Nach der Predigt BWV 660: Auch hier steht der Cantus firmus im Diskant, allerdings in etwas schlichterer Form als beim ersten Stück. Bemerkenswert ist hier die Begleitung durch zwei eng geführte Bassstimmen – eine sehr seltene Form eines Choraltrios! Man könnte das Stück als Trio für Violoncello, Fagott und Oboe aufführen. In einer früheren Fassung BWV 660b steht der Cantus firmus im Pedal.
Die Registrierung auf der Orgel erfordert für das Pedal und die linke Hand zwei gut zeichnende 8-Fussregister, die sich klanglich ausreichend unterscheiden und etwa gleich stark sind. Vermutlich handelt es sich um eine Transkription eines Kantatensatzes.
«Bei öfterem Spielen gewinnt man das anfangs so fremdartige Stück lieb, ohne die ästhetischen Bedenken gegen die beiden Bässe vollständig unterdrücken zu können. Vielleicht wollte Bach damit das Düster des Advents malen.» (Albert Schweitzer)
Klangbeispiel: Nun komm, der Heiden Heiland BWV 660 - Nach den Abkündigungen BWV599: Im schlichten Stück aus dem «Orgelbüchlein» steht die Melodie ohne Zwischenspiele und Kolorierungen im Diskant des vierstimmigen Satzes. Die Begleitstimmen sind stark ineinander verwoben, der Bass bewegt sich in feierlichem punktierten Rhythmus.
- Ausgang BWV 661: Die dritte Bearbeitung in der Leipziger Sammlung ist für den vollen Klang der Orgel (pro organo pleno) geschrieben mit cantus firmus in der Bassstimme. Es handelt sich also um eine traditionsreiche Form des Orgelchorals, die als strahlendes Präludium oder Postludium geeignet ist.
Klangbeispiel: Nun komm, der Heiden Heiland BWV 661
Hans Egg, Orgel
Martina Steudler, Liturgie und Predigt